Die Technik der Glasmalerei

tech1Die einzigartige Anziehungskraft der Kunst der Glasmalerei beruht auf dem Spannungsverhältnis zwischen dem Material Glas und dem sich ständig wechselnden, die Farben zum Leben erweckenden Licht. Die Technik und die einzelnen Arbeitsschritte zur Herstellung einer Glasmalerei haben sich seit dem Mittelalter, als man damit begann, verschiedenfarbige und bemalte Glasstücke in Bleiruten zusammenzufügen, nicht wirklich gewandelt. Die wichtigsten Veränderungen betreffen Arbeiten, die nur mittelbar mit der Herstellung eines Glasfensters zu tun haben : so wird z.B. seit Beginn der Neuzeit Glas nicht mehr wie im Mittelalter mit einem heißen Eisen abgesprengt, sondern mit einem Diamanten oder Stahlradglasschneider in Form geschnitten ; die früher in Formen gegossenen Bleiruten werden heute im Bleizug gezogen, und der Vorgang des Brennens kann heute dank Strom- oder Gasöfen genau kontrolliert werden.

Farbige Glasfenster bauen sich aus drei Komponenten auf : dem Glas als Träger der Farbe und zugleich wandbildender Materie ; dem Bleinetz als das die Stabilität gewährende Gerüst und Träger der linearen Komposition , und der Bemalung, die letztendlich das durch das Glas tretende Licht moduliert und als Mittel der Darstellung dient.

  • Aufmaß
  • Entwurf
  • Karton
  • Pause, Bleiriß und Schablonierung
  • Farbglasauswahl
  • Zuschneiden der Gläser
  • Bemalung, Glasfärbung mit Silbergelb und Ätzen
  • Brand
  • Verbleiung
  • Einsetzen der Fenster

Aufmaß

Bei künstlerisch gestalteten Farbglasscheiben, die als Fenster in ein Gebäude eingebaut werden sollen, besteht der erste Arbeitsschritt darin, daß sich der mit dem Entwurf beauftragte Künstler vor Ort begibt, um sich mit den genauen Abmessungen, der Orientierung und den Lichtverhältnissen vertraut zu machen. Letztere sind vor allem für die gestalterische Farbgebung der Fenster von ausschlaggebender Bedeutung. Die wichtigsten Abmessungen betreffen Größe und Form des Fensters, in welches das tragende Gerüst des Eisenwerks eingebaut werden muß, die Lote, sowie die Tiefe der Fensterfalze und -nuten.

Entwurf

Der farbige Entwurf eines Fensters in reduziertem Maßstab (meist 1 : 10), muß erkennen lassen, wie der Künstler das fertige Fenster zu gestalten gedenkt : im Detail werden Figuren und dekorative Elemente dargestellt, wobei die Farbverteilung und das Bleinetz sowie das Eisenwerk, das später die unterschiedlichen Fensterfelder zusammenhalten wird, angelegt werden. Der Entwurf muß hinreichend präzise sein, damit er durch Quadrierung oder photographisch vergrößert werden kann.

Karton

Karton ist die Bezeichnung für den Künstlerentwurf in Originalgröße des Fensters, jedoch ohne farbige Darstellung. Auf dem Karton wird das genaue Bleinetz, das die Glasstücke untereinander verbinden wird, eingezeichnet. Auch werden auf dem Karton die genauen Positionen der Sturmstangen (Quereisen) und Windruten sowie die Details der Konturenzeichnung und ihrer Schattenbegleitung angegeben, damit die Gläser in der Folge richtig bemalt werden können. Der Karton wird entweder mit Kohle oder Farbe lavierend gezeichnet, wobei das Bleinetz als opake Strichzeichnung mit besonders dunkler Tusche deutlich hervorgehoben wird.
Im Mittelalter legten die Werkstätten den originalgroßen „Karton“ auf einem weiß grundierten Holztisch an : das Bleinetz und die Binnenzeichnung in groben Zügen wurden dann mit schwarzer bzw. roter Farbe auf diese Grundierung aufgemalt.. Die ausgewählten Farbgläser wurden auf die Konturenzeichnung gelegt und die durchscheinenden Linien mit Kreide auf das Glas übertragen. Danach erfolgte das „Zuschneiden“ der Glasstücke mit einem heißen Eisen.

Pause, Bleiriß und Schablonierung

Seit Papier in größerem Maße zur Verfügung steht, wird die Konturenzeichnung mit Paus- und Kohlepapier auf festen Schablonenkarton übertragen. Die so erhaltene Zeichnung, der Riß, stellt eine Art Puzzle dar, dessen einzelne Teile mit Nummern versehen sind. Nach dem Auseinanderschneiden des Schablonenkartons erleichtern diese das Zusammensetzen der Schablonen auf der Pause.

Das Auseinanderschneiden des Risses, bzw. die Anfertigung der Schablonen, erfolgt mit der sog. Doppelschere, die mit ihren drei Klingen einen schmalen Papierstreifen entfernt, dessen Breite dem Kern der später die Gläser zusammenhaltenden Bleiruten entspricht.

Farbglasauswahl

Die Auswahl der farbigen Gläser erfolgt anhand des die Farbwerte angebenden Entwurfes. Die dem Glaszuschneider zur Verfügung stehende breite Palette an Farbtönen erlaubt eine getreue Umsetzung des Entwurfes.

Das mittelalterliche Glas bestand aus einer Mischung von zwei Teilen Buchenholz- oder Farnasche (Pottasche) und einem Teil Sand (Silizium), die bei ca. 1500 Grad C miteinander verschmolzen wurden. Das so erhaltene Glas war nahezu farblos. Für die Herstellung verschiedenfarbiger Gläser wurden der Glasmasse Metalloxide hinzugefügt. Eine genaue Steuerung der Farbgebung war jedoch nicht möglich, weil die Glasherstellung im Mittelalter weitgehend auf Erfahrungswissen und weniger auf exakter Kenntnis der chemischen und physikalischen Vorgänge beruhte. Die Verschiedenheit der Farben ist auch eine Folge gewisser von vorneherein in der Glasmasse vorhandener Verunreinigungen.

Um von der flüssigen Glasschmelze zur flachen Antikglastafel zu gelangen, wird mit einer Glasmacherpfeife eine Glasblase hergestellt, die entweder durch Drehen zur flachen Rundscheibe ausgeschwungen (sog. Butzenscheibe), oder zu einem unten offenen Zylinder verlängert werden kann, der dann der Länge nach aufgeschnitten und im Streckofen zur Tafel geglättet wird. Das stufenweise Abkühlen des Glases verhindert die Entstehung von Spannungen, die das Glas leicht zerbrechlich machen.

Das auch heute noch nach dieser mittelalterlichen Herstellungsweise fabrizierte sog. Antikglas unterscheidet sich von gewöhnlichem maschinell gewalzten Fensterglas dadurch, daß es kleine Unregelmäßigkeiten aufweisen kann und Luftbläschen und Schlieren enthält.

Die meisten Hüttengläser sind in der Masse, d.h. durch die gesamte Glasdicke hindurch, gefärbt ; um bei bestimmten Farben jedoch möglichst helle Töne zu erreichen, oder um, wie z.B. beim roten Glas im Mittelalter, die Transparenz des Glases zu erhalten, die durch die notwendige Stärke des Glases sonst verlorenginge, werden auch sog. Überfanggläser hergestellt : eine oder auch mehrere farbige Glasschichten überfangen die farblose oder andersfarbige Schicht eines Grundglases. Überfangglas wird seit der Neuzeit verwendet, wenn auf einem Stück Glas mindestens zwei Farben oder mehr gezeigt werden sollen.

Zuschneiden der Gläser

Schablonen, die aus einer Farbe zugeschnitten werden sollen, werden so auf das entsprechende Farbglas gelegt, daß möglichst wenig Glasabfall entsteht. Aus den Glastafeln werden dann um die Schablonen herum die einzelnen Glasstücke mit dem Diamanten oder Stahlradglasschneider herausgeschnitten. Das zugeschnittene Glasstück wird entweder durch Fingerdruck oder mit einer Zange aus der Glastafel herausgelöst. Bei besonders komplizierten Formen mit deutlichen Zacken benützt man zum Herauslösen ein kleines Hämmerchen, mit dem auf die dem Diamantschnitt abgewandte Seite des Glases geklopft wird. Eventuell überstehendes Glas wird mit einer flachen Zange weggekröselt.

Nachdem alle Schablonen ausgeschnitten sind, werden die Glasstücke auf die Pause gelegt, um ihr Zusammenpassen zu kontrollieren.

Die zugeschnittenen Gläser können gegeneinander gewetzt werden, um die z.T. rasierklingenscharfen Kanten abzustumpfen.

Die Gläser können auch ohne Zuhilfenahme der Schablonen zugeschnitten werden, indem das Farbglas direkt auf den Bleiriß gelegt und mit dem Glasschneider die Linie nachgezogen wird.

Bemalung, Glasfärbung mit Silbergelb und Ätzen

Die Malfarbe, das Schwarzlot, besteht zum größten Teil aus oxidiertem Eisen- oder Kupferpulver (Hammerschlag) und einem Schmelzmittel, zerstoßenem Bleiglas, das bei bereits niedrigen Temperaturen zu schmelzen beginnt, so daß sich die verflüssigte Malfarbe unlösbar mit dem erst erweichten Grundglas verbinden kann.

Damit aus den Oxiden und dem Bleiglas eine malfähige Substanz wird, fügt man je nach Technik Essig oder Terpentinöl hinzu. Eine kleine Menge flüssiges Bindemittel, wie z.B. Gummiarabikum, verbessert die Hafteigenschaft des Schwarzlotes.

Je nach Verdünnung der Malflüssigkeit können ganze Flächen (Halbton oder Wasserton), auch als Grundlage für radierte Ornamente, damit bedeckt werden, oder man zieht damit opake schwarze Linien für Konturen :

Der flächige oder modellierende, noch lichtdurchlässige Halbtonauftrag, aus mit Wasser verdünntem Schwarzlot, dient etwa zur Angabe von Schatten, insbesondere auch als Grundfarbe der Gesichter, aus der dann die feinere Binnenzeichnung herausradiert werden kann. Der Wasserton, die mit besonders stark verdünntem Schwarzlot vorgenommene flächige Bemalung, soll das durch die Glasscheibe fallende Licht nur geringfügig dämpfen. Er wird meist zur flächigen Bemalung verwendet oder auch zur Steigerung der Farbintensität einzelner Glasstücke. Aus dem Wassertonauftrag können einzelne Lichter herausgewischt werden (aus dem noch feuchten Malgrund wird an einzelnen Stellen, die als Lichter erscheinen sollen, die Malschicht weggewischt).

Konturen- und Binnenzeichnung werden gewöhnlich mit Schwarzlot ausgeführt, das nicht, wie für Schattierungen und Modellierungen, mit Wasser, sondern mit Essigsäure vermischt wurde. Dies hat den Vorteil, daß die einmal getrocknete Zeichnung wasserresistent ist und beim nächsten Malschritt überpinselt werden kann, ohne sich aufzulösen. Verwendet wird dazu der sog. Schlepper oder Halbschlepper : die auf dem Karton liegenden Glasstücke werden damit bemalt, indem die durchscheinenden Striche nachgezogen werden. Ist die Strichzeichnung trocken, so wird das Glas auf eine Staffelei gesetzt. Die Bemalung erfolgt nun mit dem sog. Vertreiber, einem breiten, weichen Dachshaarpinsel, mit dem das Schwarzlot gleichmäßig verteilt wird.

Mit dem sog. Stupfer kann die aufgetragene Farbe so gestupft werden, daß die ganze Fläche gekörnt aussieht.

Kurze Borstenpinsel holen Lichter aus dem Überzug heraus, während mit verschiedenen Radierwerkzeugen, z.B. steifen Borstenpinseln, Radiermessern, -federn und -nadeln (Radiernadeln sind in Holzstielen befestigte Stahlnadeln, zugespitzte Holz- oder Elfenbeinstifte, Gänsefedern) Schriften, Muster und Lichter herausgekratzt werden können.

Schattierungen können durch zusätzliche modellierende Farbaufträge weiter verstärkt werden.
Die gelbe Färbung eines farblosen Glases kann dadurch erreicht werden, daß auf die Glasscheibe Schwefelsilber aufgetragen wird : Silber, auch in sehr kleinen Mengen, hat die Eigenschaft, glühendes Glas gelb zu färben : Gepulvertes Silber wurde seit dem 14. Jh. mit einem Gemenge aus Lehm oder Ocker gemischt und dieser Brei dann auf die Gläser aufgetragen. Im Feuer verlieh das Silber den Scheiben an den gedeckten Stellen je nach Stärke der Mischung, der Glut des Ofens oder der Dauer des Brandes eine vom zartesten Zitronengelb bis zum feurigsten goldigen Orange reichende Färbung. Silbergelb (-lot) wird in der Regel auf der Außenseite des Glases aufgetragen, weil es von der Witterung nicht angegriffen werden kann.

Unter Ätzen versteht man bei Überfangglas die Entfernung der dünnen Farbschicht, des Überfanges. Schon im Mittelalter hatte man es verstanden, durch partielles Ausschleifen des roten Überfanges mit pulverisiertem Stein weiße Zeichnungen im roten Grund anzubringen. Heute wird dafür Flußsäure verwendet. Dabei werden die nicht für das Ätzen vorgesehenen Stellen, auch Ränder und Rückseite des Glases, mit einer aus Bienenwachs oder Bitumenfarbe bestehenden Schutzschicht überzogen und das Glas in ein Säurebad getaucht. Das Ätzen des Glases erfolgt vor seiner eventuellen Bemalung.

Brand

Die bemalten und eventuell mit Silbergelb gebeizten Glasstücke werden erneut auf der Pause zusammengesetzt. Auf einer Metallplatte wird eine Schicht gesiebten und getrockneten Gipses aufgetragen, auf der dann die Gläser möglichst eben angeordnet werden, damit sie sich während des Brennvorganges nicht verformen. Auf einer Metallplatte können mehrere Schichten von Gläsern übereinander angeordnet werden, die jeweils durch eine Schicht Gips voneinander isoliert werden müssen. Mehrere Metallplatten werden sodann in regelmäßigen Abständen im Ofen übereinander gestapelt.

Bei einer Temperatur von ca. 600 bis 630 Grad C verschmilzt die Bemalung mit dem Grundglas, so daß sie sich mechanisch nicht mehr entfernen läßt.

Der Brennvorgang dauert in der Regel 4 bis 5 Stunden, ist jedoch von der Art des Ofens sowie von der Anzahl der Metallplatten abhängig, mit denen der Ofen bestückt wurde. Das Abkühlen des Ofens auf eine Temperatur unter 100 Grad C muß langsam erfolgen (24 Stunden), um ein Reißen des Glases zu verhindern. Die gebrannten Gläser werden dann von der Gipsschicht befreit und erneut auf die Pause gelegt.

Verbleiung

Wie im Mittelalter, so erfolgt auch heute die Verbleiung der einzelnen Glasteile auf einer Holzunterlage, wo sie mit der herumgelegten Bleirute mit Nägeln in ihrer Lage fixiert werden : ein auf der Werkbank befestigter rechtwinkliger Holzrahmen hält die Bleiruten des Randes fest, welche die Unterseite und linke Seite der Scheibe bilden. Das erste Glasstück wird in die Ecke eingesetzt und mit dem mit Blei beschwerten Griff des Bleimessers festgedrückt. Ein passendes Bleirutenstück wird um das Glas gelegt, zurechtgeschnitten, und mit einigen Nägeln befestigt. Nun werden nach dem gleichen Schema die angrenzenden Glasstücke eingesetzt und mit Bleiruten untereinander verbunden, bis die Scheibe fertig ist.
Die beiden letzten Seiten der fertigzustellenden Glasmalerei werden mit einem durchgehenden Stück Bleirute eingefaßt. Mit dem Bleiknecht, einem flach gehobelten Holzstück, oder mit der flach gehaltenen Klinge des Bleimessers, werden nun die Flügel der Bleiruten flach niedergestrichen. Schließlich muß mit Lötzinn, der zur besseren Verteilung mit Stearin eingestrichen wurde, jede Verbundstelle, an denen sich die Bleiruten treffen, kreuzweise verlötet werden. Das Fensterfeld wird umgedreht, denn der Lötvorgang muß auch auf der anderen Seite, nach Niederstreichen der Flügel, durchgeführt werden.

Die Bleistege, bzw. -ruten, die im Querschnitt wie der Großbuchstabe H aussehen, bestehen aus einem verdickten Mittelstück, dem Kern, und den vier fugenbildenden Flügeln, in die die Gläser jeweils bis an den Kern eingeführt werden.

Mittelalterliche Bleiruten waren handgehobelt und bestanden aus einem hohen, glatten Kern und halbrunden Flanschen (Flügeln). Bei den meisten mittelalterlichen Fenstern wurde die ursprüngliche Verbleiung bei späteren Restaurierungsarbeiten durch neuzeitliche, maschinell gezogene Bleiruten ersetzt. Gesprungene Glasstücke wurden bei Reparaturen oft durch nachträglich angebrachte Sprungbleie zusammengehalten, wobei die Gläser zurechtgekröselt werden mußten und nicht selten ein Teil der Bemalung verlorenging.

Seit dem 19. Jh. werden die Fenster mit Kitt, bestehend aus Schlämmkreide, Leinöl und einem Sikkativ, abgedichtet. Dieser halbflüssige Kitt wird mit Hilfe einer Bürste unter die Bleirutenflügel getrieben und soll den Fenstern Festigkeit und Undurchlässigkeit verleihen. Nach einigen Tagen sind die Fenster trocken und können eingesetzt werden.

Einsetzen der Fenster

Da ein verbleites Glasfenster in der Regel aus einer Vielzahl einzelner Fensterfelder besteht, weil Eigengewicht und Winddruck der Ausdehnung eines verbleiten Fensters Grenzen setzen, müssen diese Felder auf Quereisen befestigt werden, die selbst wiederum im Gewände verankert werden müssen. Sind alle Fensterfelder eingesetzt, kann das gesamte Glasfenster im Fensterfalz eingemauert werden. Sogenannte Windruten, die mit Bleihaften auf jedem Feld befestigt und im Eisenwerk verankert werden, verstärken das Bleinetz zusätzlich.